Wissens- und Verstehensvermittlung?

Wissens- und Verstehensvermittlung im Rahmen der Lehre an einer wissenschaftlichen Hochschule einzusetzen war der natürliche Wunsch nach einer jahrelangen solchen Praxis in der eigenen Firma. Ich hatte Glück, weil es mir gelang eine Berufungskommision von meinem diesbezüglichen Wissen, Verstehen und Können zu überzeugen. Anfang der Neunziger Jahre wurde ich an die HFU im Schwarzwald berufen. Auf den Lehrstuhl Programmieren und Softwaretechnik.

Der Lehrerfolg in der eigenen Firma war im Prinzip schon dem Verdienst meiner Lehrer (an den besuchten Schulen und an der TUM in München)

geschuldet. Ich hatte das Glück Lehrer zu haben, die es schafften, einerseits die Fakten und das Wissen zu vermitteln, die im Nachsatz für das Verstehen des gelehrten Stoffes unerläßlich waren, so zu vermitteln, dass sich das Verstehen der erläuterten Sachverhalte gefühlt fast automatisch bei mir eingestellt hat.

Die Erinnerung täuscht

Hier ärgert mich sehr wahrscheinlich eine verfälschte Erinnerung. Wenn ich länger darüber nachdenke, tauchen dann im Gedächtnis doch Bilder auf, die nicht nach Automatismus hindeuten, sonder eher etwas mit ringen um Erkenntnis – die Schilderung meiner Lehrer erschienen immer wieder als sehr einleuchtend, wenn ich es dann praktisch nachvollziehen wollte, hatte ich beim ein oder anderen mal durchaus meine Schwierigkeiten. Der Ehrgeiz war aber geweckt und ich blieb hartnäckig genug, die Lösung hinzukriegen. Nach einiger Zeit war diese Anstrengung und der Frust verflogen und übrig blieb die Erinnerung: der freudige Zustand der Könnens hat sich automatisch eingestellt.

Mit anderen Worten, als Lehrender in der eigenen Firma (mit Lernenden aus der Industrie, die in aller Regel schon ein Ingenieursstudium hinter sich hatten) und dann auch als Hochschullehrer, habe ich praktisch meine Lehrer und Professoren, die ich für sehr gut fand, kopiert und es praktisch genauso gemacht, wie ich es von den eigenen Lehrmeistern erfahren habe.

Der Dreisatz zur Erkenntnis

In aller Regel war es der folgende typische Dreisatz: a) Darstellung des Problems, das gelöst werden sollte. b) Die Ermunterung der Lerngruppen, mal zu versuchen, das Problem zu lösen. Einher ging damit die Forderung, die angedachten Lösungsideen festzuhalten, damit wir diese später diskutieren können. Das Ergebnis der Phase b) war in aller Regel nicht Lösung des Problems, sondern die Erkenntnis, dass diese Lösung doch etwas kniffliger ist. Kniffliger, wie die Lerngruppe zunächst annahm. In der Folge waren die Lerngruppen für die Diskussion mit den Lehrenden bestens präpariert und hatten erkannt, ohne methodisch fundiertes Wissen kommt da nichts vernünftiges raus. Die Lerngruppen waren gespannt auf die Auflösung, die im Schritt c) entwickelt wurde. Neugierig auch auf das methodisch/fundierte Wissen das offensichtlich in der Gruppe noch unbekannt war. Durch die eigene Überlegung aus Schritt b) waren wir längst sensibilisiert für die Aufnahme der neuen, gezeigten Lösungswege. Mit den aus b) vorhandenen Lösungsideen hatten wir zusätzlich die Möglichkeit die eigene Reichweite zu erkennen oder den Punkt auzusmachen, wo wir stecken geblieben sind.

Der Dreisatz in zahlreichen Varitationen

Je nach Lehrgegenstand sehen die Ausprägungen des oben geschilderten Dreisatzes anders aus. Bei oberflächlicher Betrachtung sind diese Ähnlichkeiten zwischen den Kursen Programmieren, Projektmanagement und eShop-Design (um drei aktuelle Beispiele zu nennen) an den Modul-Inhaltsverzeichnissen nicht zu erkennen. Die statische Beschreibungsstruktur ist eben etwas anderes wie die dynamiche Ablaufgestaltung.

Zugegebenermaßen gibt es damals, wie heute, unterschiedliche Lerntypen in den Lerngruppen: alleine im Titelbild sehe sie vier verschieden Lerntpyen! Fast natürlich folgt daraus, dass sich der von mir präferierte Dreisatz nicht für alle Lerntypen optimal sein mag. Wo im Spannungsfeld “praktisch erfahrungsorientiert” contra “abstrakt begreifbar” befinden Sie sich? Oder doch mehr zwischen “aktiv probieren” versus “gedanklich durchspielen“.

Wie gesagt, nicht ganz einfach. Da ist es von Vorteil, wenn man sich selbst soweit gut kennt, dass man seine Lerngruppe so konfigurieren kann, um Harmonie, Ergänzung und Spannung optimal herbeizuführen.

Henning Beck
Henning Beck

Wer sich dazu durchgerungen hat und lebenslang lernen will, anstatt Zeit zu verplempern” dem möchte ich zur Vertiefung des Themas die unterhaltsame Lekture vom Neurowissenschaftler Henning Beck empfehlen. Ideal: man lernt von ihm dabei auch, wie unser Gehirn funktioniert. Meine Empfehlung!

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Autor: Prof. Illik Hans

Studium der Wirtschaftsinformatik an der TUM Technischen Universität in München. Berufliche Stationen: Hardwarehersteller in München - Softwarehäuser in München - eigene Firmen in München, Stuttgart und Birmingham/UK- mehrere Bücher zum Programmieren und eCommerce -Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen in München, Stuttgart, Frankfurt - Professur an der HFU - Softwareentwickler (Ada/C/C++/C#/PHP/Python/Java) - Berater - Coach - Betriebsystemen (Unix-Portierungen) und Implementierung von eShops (Magento u.a.).

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